Modell für agiles Content Marketing – die Details

Das ist drin für dich: In diesem Artikel erläutere ich die Details zu meinem agilen Content Marketing-Modell. Ich beschreibe die einzelnen Elemente und gebe Tipps für die Umsetzung. Das Modell soll dir als Anregung dienen, die eigenen Content Marketing-Workflows in deinem Unternehmen zu verbessern.


Falls du es noch nicht getan hast, bitte lies hier vorab die Einführung zu agilem Vorgehen im Content Marketing, um den Kontext zum Modell zu verstehen!

 

Agiles Content Marketing Modell
Modell für einen agilen Content Marketing-Workflow (c) Sonja Schwarz

 

Agiles Vorgehen hilft dabei, Inhalte besser zu planen, zu priorisieren, zu erstellen und zu organisieren. Trotzdem bleibt viel Raum für Flexibilität und Weiterentwicklung, die in einer dynamisch-digitalisierten Welt zwingend notwendig sind.

Das hier vorgestellte Modell kombiniert:

  • Techniken der agilen Methoden Scrum und Kanban (das sogenannte „Scrumban“, eine Anregung aus der angloamerikanischen Literatur).
  • Elemente aus der „klassischen“ Redaktionsarbeit.
  • Es kann durch die Innovationsmethode Design Thinking bei der Ideenfindung ergänzt werden.
  • Als grundlegende Denk- und Arbeitsweise liegt das Build-Measure-Learn-Prinzip aus dem Lean Startup zugrunde.


Diesen Pragmatismus brauchen wir im Content Marketing!
 Wichtiger als die Umsetzung von isolierten Methoden nach Lehrbuch sind Teammitglieder, die nach agilen Prinzipien denken und handeln, wie sie etwa im Agile Marketing Manifesto festgeschrieben sind.

 

Mehr dazu liest du auch hier: Agile Methoden im Content Marketing: Zwei, die sich mögen!

 

Geeignete Techniken für agiles Content Marketing

Nachfolgend stelle ich agile (und auch ein paar klassische) Techniken vor, die sich besonders gut für die Content Marketing-Organisation eignen – unterteilt nach den Anwendungsbereichen „1. Anforderungen“, „2. Iterative Entwicklung“, „3. Steuerung & Team“ und „4. Kontrolle“. In meinem Modell (siehe Grafik oben) habe ich diese zu einem durchgängigen Prozess kombiniert.

Achtung: Mit „Wasserfall-Planung“ hat das nichts zu tun – es gibt daher auch keinen klaren Anfang oder Ende, da alles (idealerweise) im permanenten Fluss ist!

 

1. Anforderungen

 

Content-Kultur:

Ohne entsprechendes Verständnis und Commitment für Content Marketing im gesamten Unternehmen sowie die Etablierung der dafür notwendigen Rahmenbedingungen und Strukturen, ist dieses agile Vorgehensmodell nicht anwendbar bzw. zum Scheitern verurteilt. Die Voraussetzung dazu muss zwingend im Vorfeld geschaffen bzw. zumindest aufgegleist werden!

 

Mehr dazu liest du auch hier: 14 Indikatoren für eine gelungene Content-Kultur

 

Messbare Ziele & Meilensteine:

Die Ziele für das Content Marketing werden durch das Management und die Marketingleitung aus der Gesamtstrategie abgeleitet und an den Content-Strategen übergeben. Dieser fungiert im agilen Workflow als Product- bzw. Content-Owner. Das heißt er oder sie plant und priorisiert die entsprechenden Maßnahmen und koordiniert das Content-Team.

Die Ziele und Meilensteine werden durch Learnings aus Content-Analysen und Kundenfeedback regelmäßig, z.B. quartalsweise, erneuert. Der Kundennutzen steht immer im Mittelpunkt! Für flexible, bereichsübergreifende Ziele eignet sich z.B. das Objectives and Key Results (OKR)-Modell.

 

Ideenpool:

In einer Liste werden lose alle Content-Ideen und -Themen gesammelt, die irgendwo auftauchen (z.B. Kundenfeedback/-fragen, Inputs von Kollegen oder Partnern, Keyword-Recherche, aktuelle Anlässe, etc.). Neue Ideen können z.B. mit der Design Thinking-Methode im Team ausgelotet werden. Ich habe auch sehr gute Erfahrungen mit Customer Journey Mapping gemacht.

 

Content-Backlog:

Ähnlich dem Product-Backlog in Scrum werden hier alle anstehenden Content-Items abgebildet und nach Wert (Ziele, Ressourcen, Personas) priorisiert. Die wichtigsten Items stehen ganz oben im Content-Backlog. Die Content-Items sind idealerweise einheitlich in Form von sogenannten User-Stories formuliert und mit entsprechenden KPIs (Messkriterien) versehen.

Pro-Tipp: Zusammenhängende User-Stories können zwecks Übersichtlichkeit zu Epics geclustert werden.

(Tägliche) Routineaufgaben, die kaum (Team-)Aufwand erfordern (z.B. einfache Artikel-Postings), sollten hier nicht abgebildet werden, um die Übersichtlichkeit zu wahren und den Fokus auf gemeinsame Content-Projekte zu legen.

 

2. Iterative Entwicklung

 

Selbstorganisiertes, cross-funktionales Content-Team:

Bestehend aus Content Marketing-Profis und je nach zu bearbeitender Aufgabe und Thema weitere Personen aus anderen Fachbereichen. Die Aufgaben werden vom Team eigenverantwortlich geplant und bearbeitet, die Mitglieder unterstützen sich gegenseitig und sind für das Gesamtergebnis verantwortlich.

Der Content-Stratege übernimmt die Aufgabe des Product- bzw. Content-Owners, er koordiniert die Interessen der Stakeholder, bestimmt die aktuellen Content-Tasks und ist inhaltlicher Ansprechpartner für das Team. In größeren Teams kann zusätzlich die Rolle des Scrum Masters als „Hüter*in des Prozesses“ sowie Moderator*in vergeben werden.

 

Sprints:

Die Einteilung der Arbeit erfolgt in kurzen Zyklen, in deren Verlauf fixierte Content-Tasks abgearbeitet werden und an deren Ende eine oder mehrere fertige (Teil-)Produkte stehen. Für eine durchgängige Organisation sollten die Sprints eine feste Dauer zwischen 1-4 Wochen haben, grundsätzlich aber angepasst an die Content-Arten bzw. -Projekte und Geschwindigkeit des eigenen Teams.

 

Sprint-Planung:

Die wichtigsten Items aus dem Content-Backlog werden für die gemeinsame Sprint-Planung herangezogen, in deren Rahmen die Content-Tasks für die nächsten Wochen (den nächsten Sprint) auf das Team verteilt werden. Die Sprint-Planung ist eng verknüpft mit dem Redaktionsplan.

Im Unterschied zu den sehr strengen Vorgaben in Scrum, wo einmal geplante Sprint-Tasks nicht mehr verändert werden, sollte dies in der Content-Arbeit flexibel gehandhabt und Tasks bei Bedarf ausgetauscht werden, sonst wird das System schnell unpraktikabel.

 

3. Steuerung & Team

 

Task-Board:

Hier werden zu bearbeitende Content-Tasks je nach Bearbeitungsstatus in verschiedenen Spalten angeführt. Das Task-Board kann in die klassischen Spalten „Todo“, „Doing“, „In Review“, „On-hold“ und „Done“ aufgeteilt werden oder nach der Kanban-Methode in einzelne Arbeitsphasen.

Das Task-Board kann als physisches Board an einem zentralen Ort im Büro geführt werden, oder, wie in vielen Marketing-Teams üblich, als digitales Board mit Tools wie z.B. Trello oder Jira. Der Vorteil bei digitalen Boards ist, dass dezentrale Teams schnell und einfach zusammenarbeiten können und die komplette Dokumentation des Prozesses und zu einzelnen Content-Items im Tool abgebildet werden kann.

Da oft viele Content-Projekte parallel laufen, können manchmal mehrere Boards für einzelne Projekte, Kampagnen, Themen oder Kanäle sinnvoll sein.

 

Sprint-Updates:

Dieser kurze Austausch im Team über aktuelle und anstehende Tasks sollte vor dem Task-Board stattfinden. Bei Scrum wird dieses Stand-up-Meeting täglich abgehalten, dies kann für manche Content-Teams aber auch ein zu enges Korsett sein. Bei allen Meeting-Formaten ist es wichtig, eigene ideale Zeitpunkte zu finden.

 

Redaktionsmeeting:

In regelmäßigen Abständen, z.B. am Ende jedes Sprints, findet der Austausch mit anderen Fachbereichen (idealerweise sind auch Führungskräfte anwesend!) zu Content-Aktivitäten statt, angelehnt an das Review-Meeting in Scrum. Es sollte jede/r willkommen sein, der/die mitmachen möchte, zumindest aber ein/e Vertreter*in je Fachbereich! Die Vertreter*innen können auch durchwechseln – „Content“ soll zum lebendigen Thema im Unternehmen werden, für das sich jede/r verantwortlich fühlt!

Im Redaktionsmeeting werden abgeschlossene Content-Projekte besprochen und KPIs vorgestellt, neue Themen, Ideen und Kundenmeinungen gesammelt und diskutiert sowie ein Ausblick auf anstehende Aufgaben gegeben und gegebenenfalls nötige Unterstützung bzw. Beteiligung dafür vereinbart.

Die Ergebnisse (Protokoll!) aus diesem Meeting fließen wiederum in Strategie-Planung und Content-Backlog ein, die die Basis für die Sprint-Planung liefern.

 

Verbesserungsmeeting:

Angelehnt an die „Retrospektive“ in Scrum findet im Team auch ein regelmäßiger Austausch über etwaige Probleme im Prozess bzw. in der Zusammenarbeit statt. Daraus werden direkt Aufgaben für die Verbesserung abgeleitet.

Bei der Einführung neuer agiler Techniken werden kürzere Intervalle Sinn machen, später können diese dann ausgeweitet werden. Das gemeinsame Verbessern des Prozesses sollte aber immer fixer Bestandteil bleiben!

 

4. Kontrolle

 

Redaktionsplan:

Trotz agilen Vorgehens bleibt der klassische Redaktionsplan in der Content-Arbeit unverzichtbar und sollte zusätzlich zum Content-Backlog und Task-Board geführt werden. Er ist ein wichtiges Planungs- und Kontrollinstrument, sowohl was Termine als auch Inhalte und zu bespielende Kanäle betrifft. Gemäß der agilen Prinzipien sollte aber auch der Redaktionsplan flexibel bleiben und zyklisch geplant werden.

 

Work in Progress (WIP)-Limits:

Damit die Arbeit produktiv bleibt, wird die Menge der Aufgaben je Sprint bzw. Arbeitsphase für die Teammitglieder begrenzt. Erst wenn eine Aufgabe komplett erledigt ist („Done“), kann eine neue gestartet werden. Den Arbeitsaufwand für eine Aufgabe möglichst realitätsnah abzuschätzen, erfordert mitunter ein langes „Training“.

Pro-Tipp: Hier können sich Teams mit abstrakten Story-Points, gemeinsamen Schätzverfahren und Burn-Down-Charts behelfen; das ist dann aber eher schon etwas für fortgeschrittene, agile Teams.

Für den besseren Überblick empfehlen sich Markierungen auf den einzelnen Tasks für Verantwortlichkeiten (z.B. mit Fotos der Teammitglieder), Schnittstellen zu anderen Bereichen oder wenn es Probleme bei der Bearbeitung gibt (z.B. mit Farbpunkten).

 

Definition of Done:

Diese beschreibt klare Kriterien, wann eine Aufgabe bzw. ein Content-Produkt als „fertig“ gilt und was danach damit passiert (z.B. „Veröffentlichung in Kanal X“). Die DoD sollte immer zumindest im 4-Augen-Prinzip überprüft werden; gegebenenfalls wandert ein Task noch einmal zurück in die „Doing“-Spalte!

 

Zielerreichung & Learnings:

Nach einem definierten Zeitraum sollten abgeschlossene Content-Items noch einmal neu hervorgeholt und entsprechend der vorgegebenen KPIs und ev. dazu eingelangtem bzw. erhobenem Kundenfeedback evaluiert werden. Die Dokumentation dazu sollte einheitlich und zentral erfolgen (unbedingt verpflichtend!) und gemeinsame Learnings daraus abgeleitet werden. Diese Learnings fließen dann wieder in das Redaktionsmeeting und die Zieldefinition ein usw.

 

Anmerkungen zur Messbarkeit

Durch das agile Vorgehen soll das Content Marketing flexibler, effektiver und transparenter werden. Aber wie lässt sich das messen?

Die Flexibilität und Transparenz sollte sich grundsätzlich aus der agilen Arbeitsweise ergeben, die Optimierung erfolgt im Zuge der Verbesserungsmeetings durch das Team selbst. Auch die Mitarbeiterbefragung kann dazu genutzt werden, die subjektive Einschätzung der Beteiligten zu erheben.

Die Effektivität des agilen Vorgehens wird durch entsprechend definierte KPIs messbar. Hier sollten Unternehmen auf Basis ihrer strategischen Ziele geeignete (!) Kennzahlen ableiten und diese über ein einheitliches Tool monitoren.

 

Den eigenen agilen Weg finden

Ich bin überzeugt, dass sich dieses oder ein ähnliches Modell für jedes Unternehmen eignet, das ernsthaft Content Marketing betreiben möchte. Doch jedes Unternehmen, jedes Team ist anders: Die Einführung von agilen Vorgehensweisen kann daher nur angepasst an die individuellen Rahmenbedingungen im Unternehmen und im Team erfolgen.

Agil heißt auch, eigene Wege zu finden. Hier gibt es keinen „one-size-fits-all“-Ansatz! In diesem Sinne soll mein Modell auch als Anregung und nicht als Schablone gesehen werden. Teams mit flachen Hierarchien und einer offenen Arbeitskultur tun sich sicherlich leichter mit der Umsetzung. Allen anderen empfehle ich, zuerst an der Content-Kultur zu arbeiten!

Die wichtigste Grundlage bilden die agilen Werte und Prinzipien – nur wenn diese von allen Beteiligten verstanden und beachtet werden, können agile Techniken und Methoden fruchten und zu werthaltigen Ergebnissen führen. Bestimmt gemeinsam im Team, was ihr tun möchtet, und arbeitet stetig an der Verbesserung!  Hauptaugenmerk sollte darauf liegen, dass neue Methoden und Strukturen im Content Marketing nichts verkomplizieren, sondern vieles vereinfachen.

Für das Management des Workflows sollte es eine verantwortliche Person geben („Content-Stratege“), für die Einführung agiler Arbeitsweisen kann ein (externer) agiler Coach sinnvoll sein.

 

Agil vs. klassisch

Übrigens: Agiles und klassisches Projektmanagement müssen sich nicht zwingend ausschließen, es kommt auf die richtige Balance an! In den meisten Unternehmen sind Mischformen an der Tagesordnung. Klassische Techniken, die das agile Vorgehen ergänzen können, sind etwa

  • Rollendefinitionen,
  • (kurzfristige) Ressourcenpläne,
  • Umfeld- und Stakeholder-Analysen,
  • Meilensteindiagramme,
  • Kick-off-Meeting und
  • Risikomanagement.

 

Fazit:

Wer Content Marketing als zukunftsweisende Management-Disziplin anwenden und damit erfolgreich sein möchte, braucht geeignete Strukturen und Prozesse. Ein agiler Workflow kann dabei helfen, effizienter und disziplinierter mit Content umzugehen und trotzdem flexibel zu bleiben. Nimm das hier vorgestellte Modell als Anregung und finde mit deinem Team Schritt für Schritt euren eigenen, agilen Weg!

Vielleicht kannst du sogar andere Abteilungen dazu anregen, weitere agile Prozesse im Unternehmen zu starten. Der Idealzustand ist natürlich immer die agile Gesamtorganisation.

 

Wie ist deine Meinung dazu? Welche Erfahrungen hast du mit agilem Vorgehen im Content Marketing gemacht? Hinterlasse mir gerne einen Kommentar oder schreib mir an mail@agilecontentmarketing.at

 

Sehr persönliche Notiz:

An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei meinen Interviewpartner*innen bedanken, die mir im Rahmen meiner Masterthesis über ihre (agile) Content Marketing-Arbeit Auskunft gegeben haben! Zusammen mit Unmengen an Fachliteratur bildeten die Interviews die Basis für das Modell.

Ihr könnt das Modell gerne für eure Arbeit weiterverwenden. Empfehlt diesen Artikel weiter, wenn ihr findet, dass noch mehr Fachkollegen davon erfahren sollten. Wenn ihr etwas darüber veröffentlichen wollt, bitte denkt an die Credits! In die Erarbeitung des Modells ist viel Zeit und Energie geflossen. Bei der Visualisierung hat mich mein Papa (76) unterstützt, er hat das Modell händisch für mich gezeichnet (siehe unten) – alleine deshalb liegt es mir sehr am Herzen!

 

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Modell in the making (c) Sonja Schwarz

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